Nein, die Augen täuschen nicht. Der Sennheiser IE200 ist ein echter kabelgebundener Kopfhörer. Mit Kabel und allem Drum und Dran. Und das ist großartig.
Ein Kabel bedeutet, dass man sich keine Gedanken darüber machen muss, ob man den besten Bluetooth-Codec verwendet. Oder wie lange der Akku hält, bevor man wieder an die Steckdose muss. Mit 130 Pfund sind die IE200 zwar genauso teuer wie ein durchschnittliches Paar echter kabelloser In-Ear-Kopfhörer, aber sie sind viel einfacher – und bieten trotzdem all die Annehmlichkeiten, die man sonst nur bei den höherwertigen IEMs von Sennheiser findet.
Können abnehmbare Kabel und Lautsprecher mit extra breitem Frequenzgang Sie davon überzeugen, sich wieder für Kabel zu entscheiden?
Design und Konstruktion: Familienähnlichkeit
Das IE200 teilt sein minimalistisches Design mit dem Rest der IE-Serie von Sennheiser. Die Ohrmuscheln bestehen aus schwarzem Kunststoff wie beim Step-up-IE300 und nicht aus den hochwertigen Metallen Zirkonium und Aluminium wie beim IE600 oder IE900, sehen aber trotzdem sehr edel aus. Der einzige Farbtupfer ist der rote Ring am rechten Hörer, der auf einen Blick erkennen lässt, in welches Ohr er gehört. Das Branding ist dezent, ebenso wie die Belüftungslöcher neben den Sennheiser-Logos.
Mit ihrer Form, die der Kontur der Ohren folgt, und ihren winzigen Abmessungen sitzen sie beim Tragen bündig und wackeln auch dann nicht, wenn man sie trägt. Das liegt zum einen an den Kunststoffbügeln des Kabels, die sich leicht formen lassen, fest sitzen und schlank genug sind, um auch Brillenträger nicht zu stören, und zum anderen am geringen Gewicht der Ohrhörer, die jeweils nur 4 Gramm auf die Waage bringen.
Das Kabel selbst ist eng geflochten, um Reibungsgeräusche zu reduzieren, und leicht genug, um nicht an den Ohren zu ziehen. Es hilft auch, Verwicklungen zu vermeiden, auch wenn man bei einer Länge von 1,2 m immer noch ein wenig Knoten machen muss, wenn man alles in den mitgelieferten Kunstlederbeutel packt, ohne es vorher ein wenig aufzuwickeln.
Features: nur die Spitze
Sennheiser hat nicht einfach nur eine Handvoll Silikon-Ohrstöpsel in die Box gepackt: Dem IE200 liegen drei austauschbare Schaumstoff-Ohrstöpsel bei, die für eine bessere Abdichtung im Ohr und eine höhere passive Geräuschdämmung sorgen. Unabhängig davon, welchen Sie wählen (und es lohnt sich, mit verschiedenen Größen zu experimentieren, um den bequemsten Sitz zu finden), bietet Ihnen die zweifach verstellbare Positionierung zusätzliche Kontrolle über den Klang.
Schieben Sie die Ohrstöpsel ganz auf die Knospen, um einen bassbetonten Sitz zu erreichen. Wenn Sie die Ohrstöpsel weiter nach vorne schieben, reduziert die luftige Passform den Einfluss der tiefen Töne und sorgt für ein räumlicheres Klangbild. So zumindest die Theorie. In der Praxis passiert es nur allzu leicht, dass man beim Einsetzen der Ohreinsätze die Spitzen weiter in die Ohren drückt, als man eigentlich wollte, so dass man am Ende eine basslastige Passform hat, ob man das nun will oder nicht. Das ist uns sowohl mit den Schaumstoff- als auch mit den Silikon-Ohrstöpseln passiert, aber bei unterschiedlich großen und geformten Ohren kann es zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen.
Die Ohrhörer verwenden eine Sennheiser-eigene Variante der branchenüblichen MMCX-Stecker, bei denen sich das Kabel ohne Spezialwerkzeug mit einem Handgriff lösen lässt. Da Kabel in der Regel die erste Fehlerquelle sind, kann ein neues Kabel für deutlich weniger als den Preis eines neuen Kopfhörerpaars eingebaut werden. Musikliebhaber können auf eine audiophile Alternative umsteigen – vorausgesetzt, sie prüfen vorher die Kompatibilität, denn nicht alle gängigen MMCX-Kabel passen.
Die meisten Smartphone-Nutzer werden sich einen USB-C-Dongle zulegen müssen, da der 3,5-mm-Kopfhöreranschluss der Vergangenheit angehört. Man kann den IE200 zwar auch an ein Bluetooth-Kopfband anschließen (obwohl Sennheiser kein offizielles anbietet), aber wir bevorzugen das Hören per Kabel – vor allem beim Handheld-Gaming auf der Nintendo Switch oder dem Steam Deck. Null Latenz bedeutet, dass der Ton immer mit dem Geschehen auf dem Bildschirm synchronisiert ist.
Klangqualität: eine sensible Balance
Die 7-mm-Dynamiktreiber des IE200 sind nicht besonders energiehungrig, so dass keine High-End-Hardware benötigt wird. Sie werden an ein Smartphone angeschlossen und benötigen daher keinen Kopfhörerverstärker. Egal, woran man sie anschließt, man bekommt einen wunderbar präzisen und detaillierten Klang für sein Geld.
Die Abstimmung von Sennheiser ist sehr ausgewogen, die einzelnen Instrumente finden alle ihren Platz im Mix. Die Klangbühne ist nicht besonders breit, aber auch nicht klaustrophobisch, und die Stereotrennung überzeugt: Die Rhythmusgitarre in der Pop-Punk-Hymne „Right Now“ von SR-71 wird nicht von den schnellen Beckenschlägen übertönt, die weiter hinten sitzen und dem Gesang Raum zum Atmen geben.
Die Bässe sind gut kontrolliert, egal ob man die Schaumstoff- oder die Silikon-Ohrstöpsel in der bassbetonten Position verwendet. Blu Cantrells „Breathe“ ist kraftvoll und durchdringend, ohne dass die Bassdrum vom Subbass übertönt wird, wodurch die lebendigen Mitten erst richtig zur Geltung kommen. Zartere akustische Stücke werden wirklich transparent wiedergegeben, was zwar nicht das Niveau teurerer In-Ear-Kopfhörer mit mehreren Treibern erreicht, aber dennoch die beeindruckende Bandbreite des IE200 zur Geltung bringt. Auch die Höhen werden nicht überbetont und liefern klare Klänge, die nie in den Bereich der Härte abgleiten.
Diese Ohrhörer sind nicht wirklich neutral, aber der Klang ist linear, was man bei vielen kabelgebundenen und kabellosen Konkurrenten nicht findet, die mit V-förmigen Abstimmkurven eher „Spaß“ als Genauigkeit bevorzugen.
Urteil Sennheiser IE200
Das Sennheiser IE200 ist ein hervorragendes IEM für Einsteiger, das sich durch eine sehr gute Verarbeitung, einen hohen Tragekomfort und ein fantastisches Preis-Leistungs-Verhältnis auszeichnet. Es ist nicht zu laut, um mit den teureren IEMs des Unternehmens zu konkurrieren, aber es bietet eine intimere Präsentation als viele asiatische Alternativen (in bestimmten Kreisen von Kopfhörer-Enthusiasten liebevoll ChiFi genannt).
Wir verstehen, dass kabelgebundene Kopfhörer nicht jedermanns Sache sind. Für viele überwiegt der Komfort echter kabelloser Geräte den Leistungsabfall, den Bluetooth mit sich bringt. Wenn es jedoch um die Klangqualität geht, ist dies ein ausgezeichneter Einstieg in die Welt der Audiophilen.